Bundesverwaltungsgericht entscheidet über eine Berufung nach der Wehrdisziplinarordnung (WDO) – Beschluss des 2. Wehrdienstsenats vom 11. Dezember 2018 – BVerwG 2 WD 12.18
Leitsatz:
Verursacht ein Soldat auf einer Dienstfahrt fahrlässig einen Verkehrsunfall, bei dem ein Mensch zu Tode kommt, ist Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen die Dienstgradherabsetzung.
Hervorzuhebende Auszüge aus der Entscheidung:
Inhalt der innerdienstlichen Wohlverhaltenspflicht im Sinne des § 17 II 1 SG (Rn. 22)
Auch die Verletzung der Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG) hat Gewicht. Die Pflicht zur Wahrung von Achtung und Vertrauen ist kein Selbstzweck, sondern hat funktionalen Bezug zur Erfüllung des grundgesetzmäßigen Auftrages der Streitkräfte und zur Gewährleistung des militärischen Dienstbetriebs. Ein Soldat, insbesondere – wie hier – ein Vorgesetzter, bedarf der Achtung seiner Kameraden und Untergebenen sowie des Vertrauens seiner Vorgesetzten, um seine Aufgaben so zu erfüllen, dass der gesamte Ablauf des militärischen Dienstes gewährleistet ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob eine Beeinträchtigung der Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit tatsächlich eingetreten ist, sondern nur darauf, ob das festgestellte Verhalten dazu geeignet war (stRspr, BVerwG, z.B. Urteile vom 13. Januar 2011 – 2 WD 20.09 – juris Rn. 27 – m.w.N. – und vom 4. Mai 2011 – 2 WD 2.10 – juris Rn. 29)
Erhöhung des Gewichts des Dienstvergehens bei Soldaten im Vorgesetztenverhältnis (Rn. 23)
Eigenart und Schwere des Dienstvergehens werden hier des Weiteren dadurch bestimmt, dass der frühere Soldat als Oberstabsfeldwebel in einem Vorgesetztenverhältnis stand (§ 1 Abs. 3 Satz 1 und 2 SG i.V. m. § 4 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 VorgV) und daher gemäß § 10 SG zu vorbildlicher Pflichterfüllung verpflichtet war (vgl. BVerwG, Urteile vom 25. Juni 2009 – 2 WD 7.08 – m.w.N., vom 13. Januar 2011 – 2 WD 20.09 – Rn. 28 und vom 4. Mai 2011 – 2 WD 2.10 – juris Rn. 30). Wer in dieser Stellung eine Pflichtverletzung begeht, gibt ein schlechtes Beispiel, was das Gewicht seines Dienstvergehens erhöht.
Regelmaßnahme für fahrlässige Tötung im Straßenverkehr während Dienstfahrt (Rn. 32 ff.)
Verursacht ein Soldat auf einer Dienstfahrt fahrlässig einen Verkehrsunfall, bei dem ein Mensch zu Tode kommt, ist Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen die Dienstgradherabsetzung.
In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass jedenfalls dann, wenn durch eine vorsätzliche Straßenverkehrsgefährdung fahrlässig der Tod eines Menschen verursacht wird, die Dienstgradherabsetzung auch bei außerdienstlichem Verhalten Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen ist (BVerwG, Urteil vom 25. August 2017 – 2 WD 2.17 – Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 54 Rn. 52 ff).
Der vorliegende Fall unterscheidet sich von dieser Fallkonstellation einerseits durch das Fehlen des erschwerenden Elementes der vorsätzlichen Straßenverkehrsgefährdung, andererseits handelt es sich um ein grundsätzlich in Bezug auf die Zwecke des Disziplinarrechts bedeutsameres innerdienstliches Vergehen. Dass eine innerdienstliche fahrlässige Tötung nach Tat und Schuld grundsätzlich mit der nach außen sichtbaren Maßnahme der Dienstgradherabsetzung angemessen sanktioniert ist, ergibt sich indes aus einem Wertungsvergleich mit anderen Fällen innerdienstlichen vorschriftenwidrigen Umgangs mit gefährlichen Gegenständen:
Ein Beförderungsverbot ist Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen bei einer fahrlässigen Verletzung von Sorgfaltspflichten im Umgang mit Munition, auch wenn sich die dadurch begründete Gefahr nicht in einem Schaden realisiert (vgl. BVerwG, Urteile vom 6. Juni 1991 – 2 WD 27.90 – BVerwGE 93, 100 ff., vom 9. Februar 1993 – 2 WD 24.92 – BVerwGE 93, 352 und vom 7. Mai 2013 – 2 WD 20.12 – Rn. 60). Tritt – wie hier – sogar der denkbar gravierendste Schaden ein, nämlich der Verlust von Menschenleben, fordert dieser Umstand grundsätzlich eine schärfere Maßnahmeart. Wer einen Menschen fahrlässig tötet, ist in der Regel härter zu sanktionieren als jemand, der lediglich fahrlässig die Gefahr schwerster Schäden begründet.
Dem entspricht, dass die Herabsetzung im Dienstgrad grundsätzlich eine angemessene Ahndung von Verfehlungen im Zusammenhang mit vorsätzlichen Verstößen gegen Sicherheitsvorschriften im Umgang mit Schusswaffen darstellt (vgl. BVerwG, Urteile vom 12. Mai 2011 – 2 WD 9.10 – Buchholz 449 § 7 SG Nr. 55 Rn. 51 m.w.N., vom 12. Dezember 2013 – 2 WD 40.12 – juris Rn. 47, und vom 12. November 2015 – 2 WD 1.15 – juris Rn. 48). Der Senat bewertet zudem auch das das disziplinare Gewicht eines Ungehorsams umso höher, je größer die dadurch drohenden Gefahren für ein bedeutsames Rechtsgut, insbesondere Leib und Leben von Kameraden, sind (BVerwG, Urteil vom 23. April 2015 – 2 WD 7.14 – Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 48 Rn. 51 ff. m.w.N.). Insbesondere ist für die befehlswidrige Anlegung von Schwarzbeständen an Munition und Pyrotechnik und deren unsachgemäße Lagerung eine Dienstgradherabsetzung regelmäßig angemessen (BVerwG, Urteil vom 19. Mai 2016 – 2 WD 13.15 – Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 51 LS und Gründe). Bei der dienstlichen Teilnahme am Straßenverkehr fahrlässig einen Menschen zu töten, ist somit kein weniger gewichtiges Dienstvergehen.
Volltext der Entscheidung auf der Website des Bundesverwaltungsgerichts: 2 WD 12.18
BVerwG 2 WD 12.18
TDG Nord 6. Kammer – 08.01.2018 – AZ: TDG N 6 VL 5/17