Bundesverwaltungsgericht entscheidet über eine Berufung nach der Wehrdisziplinarordnung (WDO) – Beschluss des 2. Wehrdienstsenats vom 16. Juli 2020 – BVerwG 2 WD 16.19

Leitsatz:

Ist das Vertrauensverhältnis zwischen einem Soldaten und seinem Dienstherrn zerstört und daher die Höchstmaßnahme zu verhängen, kann eine überlange Verfahrensdauer nicht mehr maßnahmemildernd wirken. Dies gilt unabhängig davon, ob die Höchstmaßnahme bereits Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen ist oder erst nach einer Gesamtwürdigung der Bemessungskriterien auf der zweiten Stufe der Zumessungserwägungen geboten ist.

Hervorzuhebende Auszüge aus der Entscheidung:

Regelmaßnahme bei eigenmächtigen Fernbleibens vom Dienst während Berufsförderungsmaßnahme am Ende der Dienstzeit (Rn. 13 f.)

Für Fälle des vorsätzlichen eigenmächtigen Fernbleibens eines Soldaten von der Truppe ist dies aus spezial- und generalpräventiven Gründen bei kürzerer unerlaubter Abwesenheit grundsätzlich eine Dienstgradherabsetzung, gegebenenfalls bis in den Mannschaftsdienstgrad; bei länger dauernder, wiederholter eigenmächtiger Abwesenheit oder Fahnenflucht wiegt das Dienstvergehen so schwer, dass es regelmäßig die Entfernung aus dem Dienstverhältnis oder den Ausspruch der sonst gebotenen Höchstmaßnahme indiziert (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2018 – 2 WD 8.18 – juris Rn. 37 m.w.N.). Dabei hat der Senat zur Abgrenzung einer kürzeren von einer längeren Abwesenheit den Zeitraum herangezogen, der durch den jährlich zustehenden Urlaubszeitraum von 30 Tagen nach § 1 Satz 1 Soldatinnen- und Soldatenurlaubsverordnung i.V.m. § 5 Abs. 1 EUrlV abgedeckt werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2019 – 2 WD 32.18 – juris Rn. 29 m.w.N.).

Bei einem längeren oder wiederholten Fernbleiben während einer Berufsförderungsmaßnahme am Ende der Dienstzeit lässt es der Senat demgegenüber grundsätzlich bei der Dienstgradherabsetzung bewenden, weil die dienstlichen Nachteile regelmäßig geringer sind als diejenigen, die für die Truppe durch das eigenmächtige Fernbleiben eines in der aktiven Dienstleistung stehenden Soldaten ausgelöst werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Januar 2018 – 2 WD 11.17 – juris Rn. 32 m.w.N.).

Überlanges Verfahren kein Milderungsgrund bei Höchstmaßnahme – gleichgültig ob bei Bemessung auf erster oder zweiter Stufe (Rn. 20)

Ist danach das Vertrauen des Dienstherrn in den früheren Soldaten zerstört, kann auch die hier überdurchschnittlich lange Verfahrensdauer nicht maßnahmemildernd wirken. Dies gilt unabhängig davon, ob die Höchstmaßnahme bereits Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen (vgl. BVerwG, Urteile vom 2. November 2017 – 2 WD 3.17 – juris Rn. 71, 77 und vom 5. Dezember 2019 – 2 WD 29.18 – Buchholz 449 § 46 SG Nr. 23 Rn. 20, 28) oder – wie hier – erst nach einer Gesamtwürdigung der Bemessungskriterien auf der zweiten Stufe der Zumessungserwägungen geboten ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 14. Juni 2018 – 2 WD 15.17 – Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 56 Rn. 48, 56 und vom 24. August 2018 – 2 WD 3.18 – BVerwGE 163, 16 Rn. 71, 75). Denn in beiden Fällen fehlt es gleichermaßen bei einer zeitnahen Betrachtung nach dem Dienstvergehen an der für die Fortsetzung eines gegenseitigen Dienst- und Treueverhältnisses notwendigen Vertrauensgrundlage. Dies bedeutet nicht, dass Soldaten in Fällen dieser Art gegen eine überlange Verfahrensdauer rechtsschutzlos gestellt sind. Die infolge einer unangemessenen Verfahrensdauer erlittenen Nachteile können vielmehr bei rechtzeitig erhobener Verzögerungsrüge grundsätzlich mit einer Entschädigungsklage nach §§ 198 ff. GVG geltend gemacht werden (BVerwG, Urteil vom 12. Juli 2018 – 2 WA 1.17 D – Buchholz 300 § 198 GVG Nr. 8).

Volltext der Entscheidung auf der Website des Bundesverwaltungsgerichts: 2 WD 16.19

BVerwG 2 WD 16.19
TDG Süd 5. Kammer – 10.04.2019 – AZ: TDG S 5 VL 13/17

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