Bundesverwaltungsgericht entscheidet über eine Berufung nach der Wehrdisziplinarordnung (WDO) – Urteil des 2. Wehrdienstsenats vom 4. Mai 2021 – BVerwG 2 WD 16.20

Leitsatz:

Ein unerlaubtes Fernbleiben eines Soldaten vom Dienst an fünf teilweise zusammenhängenden Tagen ist im Regelfall mit einer Dienstgradherabsetzung zu ahnden.

Hervorzuhebende Auszüge aus der Entscheidung:

Regelmaßnahme bei unerlaubten Fernbleiben vom Dienst (Rn. 41, 42)

Das gemäß § 18 Abs. 2 WDO einheitlich zu ahndende Dienstvergehen wird in erster Linie durch das wiederholte unerlaubte Fernbleiben vom Dienst geprägt. Denn ein Soldat, welcher der Truppe unerlaubt fernbleibt, versagt im Kernbereich seiner Dienstpflichten. Die Bundeswehr kann ihre Aufgaben nur dann hinreichend erfüllen, wenn nicht nur das innere Gefüge der Streitkräfte so gestaltet ist, dass sie ihren militärischen Aufgaben gewachsen ist, sondern auch ihre Angehörigen im erforderlichen Maße jederzeit präsent und einsatzbereit sind. Der Dienstherr muss sich darauf verlassen können, dass jeder Soldat seinen Pflichten zur Verwirklichung des Verfassungsauftrags der Bundeswehr nachkommt und alles unterlässt, was dessen konkreter Wahrnehmung zuwiderläuft. Dazu gehören insbesondere die Pflichten zur Anwesenheit und gewissenhaften Dienstleistung. Die Verletzung der Pflicht zur militärischen Dienstleistung berührt nicht nur die Einsatzbereitschaft der Truppe, sie erschüttert auch die Grundlagen des Dienstverhältnisses selbst (BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 2020 – 2 WD 4.20 – juris Rn. 21 m.w.N.).

Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen ist in Fällen des vorsätzlichen unerlaubten Fernbleibens eines Soldaten von der Truppe bei einer kürzeren unerlaubten Abwesenheit grundsätzlich eine Dienstgradherabsetzung, gegebenenfalls bis in den Mannschaftsdienstgrad; bei länger dauernder, wiederholter eigenmächtiger Abwesenheit oder Fahnenflucht ist regelmäßig die Entfernung aus dem Dienstverhältnis oder den Ausspruch der sonst gebotenen Höchstmaßnahme geboten (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 2020 – 2 WD 4.20 – juris Rn. 22 m.w.N.). Dabei hat der Senat zur Abgrenzung einer kürzeren von einer längeren Abwesenheit den Zeitraum herangezogen, der durch den jährlich zustehenden Urlaubszeitraum von 30 Tagen nach § 1 Satz 1 SUV i.V.m. § 5 Abs. 1 EUrlV abgedeckt werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 2020 – 2 WD 4.20 – juris Rn. 22 m.w.N.). Der Senat hat auch im Fall eines wiederholten vorsätzlichen unerlaubten Fernbleibens vom Dienst an sechs über mehr als ein Jahr verteilten einzelnen Tagen als Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen die Höchstmaßnahme für angemessen gehalten, weil sich sechs Fehltage in der Größenordnung einer zweimaligen eigenmächtigen Abwesenheit im Sinne des § 15 Abs. 1 WStG bewegen und der betreffende Soldat aufgrund eines jeweils neu gefassten Tatentschlusses die Hemmschwelle zur Verletzung der Kernpflicht zur militärischen Dienstleistung sechs Mal in Folge über ein Jahr hinweg überschritten hatte (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Oktober 2020 – 2 WD 22.19 – juris Rn. 14).

Verletzte Dienstpflichten durch BtM-Besitz und Konsum (Rn, 28 ff.)

Mit dem wiederholten Konsum und dem wiederholten Besitz von Betäubungsmitteln hat der frühere Soldat jeweils gegen die zu den verschiedenen Tatzeitpunkten inhaltsgleichen Regelungen in Ziffer 404 ZDv 10/5 bzw. in Nr. 503 der Zentralrichtlinie A2-2630/0-0-2 (Version 1), in welche Ziffer 404 ZDv 10/5 überführt wurde, bzw. in der späteren Nr. 172 der Zentralrichtlinie A2-2630/0-0-2 (Version 2) verstoßen. Danach ist der unbefugte Konsum und Besitz von Betäubungsmitteln für Soldaten im und außer Dienst verboten. Diese Vorgaben sind als dienstliche Weisung zu qualifizieren, deren Nichtbeachtung durch den früheren Soldaten eine vorsätzlich begangene Verletzung der Pflicht zum treuen Dienen begründet (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Mai 2014 – 2 WD 7.13 – juris Rn. 39 zu Ziffer 404 ZDv 10/5).

Mit dem wiederholten Konsum von Betäubungsmitteln verstieß der frühere Soldat auch insoweit vorsätzlich gegen § 7 SG, als dass er dadurch nicht seine jederzeitige dienstliche Einsatzbereitschaft gewährleistete. Ein Soldat muss auch außerhalb der Dienstzeit jederzeit mit seinem Einsatz rechnen. Die Gewährleistung der jederzeitigen Einsatzbereitschaft wird erheblich beeinträchtigt, wenn er Rauschmittel zu sich nimmt. Dies gilt nicht nur im Fall eines akuten Rausches, sondern auch wegen der nicht voraussehbaren und damit nicht berechenbaren negativen gesundheitlichen Folgewirkungen. Schon der einmalige Genuss von Betäubungsmitteln stellt unabhängig von den konkreten gesundheitlichen Auswirkungen eine Verletzung der Kernpflicht zum treuen Dienen dar (vgl. BVerwG, Urteile vom 21. Mai 2014 – 2 WD 7.13 – juris Rn. 40 m.w.N.).

Mit dem wiederholten Besitz, dem wiederholten Konsum und dem Erwerb von Betäubungsmitteln hat der frühere Soldat ferner jeweils vorsätzlich gegen seine außerdienstliche Wohlverhaltenspflicht (§ 17 Abs. 2 Satz 2 SG a.F.) verstoßen. Denn diese Taten waren geeignet, die Achtung und das Vertrauen, die seine dienstliche Stellung erforderte, ernsthaft zu beeinträchtigen. Sie waren teilweise von strafrechtlicher Relevanz.

Der frühere Soldat hat sich mit dem Besitz der Betäubungsmittel jeweils nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG und mit dem Erwerb von Betäubungsmitteln nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG strafbar gemacht.

Bei einer außerdienstlichen Straftat sind die aus dem Verstoß gegen die Strafrechtsordnung resultierenden Zweifel an der Rechtstreue eines Soldaten und damit an seiner Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit umso größer, je höher die Sanktionsdrohung der betreffenden Strafnorm ist (BVerwG, Urteil vom 16. Januar 2020 – 2 WD 2.19 – Buchholz 450.2 § 18 WDO 2002 Nr. 1 Rn. 21). Ermöglicht der Strafrahmen eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren, kann hieraus bereits die Disziplinarwürdigkeit des außerdienstlichen Fehlverhaltens folgen (BVerwG, Urteil vom 24. August 2018 – 2 WD 3.18 – BVerwGE 163, 16 Rn. 53). Andernfalls bedarf es zur Begründung einer allein aus Zweifeln an der Rechtstreue des Soldaten resultierenden Disziplinarwürdigkeit außerdienstlichen Fehlverhaltens zusätzlicher Umstände (BVerwG, Urteil vom 16. Januar 2020 – 2 WD 2.19 – Buchholz 450.2 § 18 WDO 2002 Nr. 1 Rn. 21). Solche sind etwa eine wiederholte Begehung oder eine einschlägige Vorbelastung (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. August 2018 – 2 WD 3.18 – BVerwGE 163, 16 Rn. 55).

(…)

Hinsichtlich des straflosen wiederholten Konsums von Betäubungsmitteln folgt die Eignung zur Ansehensschädigung aus dem unmittelbaren Dienstbezug. Ein Soldat, der sich außer Dienst nicht an die seine Gesunderhaltungspflicht nach § 17 Abs. 4 Satz 1 SG konkretisierende Weisung seines Dienstherrn hält, wonach jeder Drogenkonsum verboten ist, weckt Zweifel an seiner Zuverlässigkeit und stellt seine Eignung für seine Verwendung in Frage (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 21. Mai 2014 – 2 WD 7.13 – juris Rn. 46).

Volltextveröffentlichung der Entscheidung auf der Website des Bundesverwaltungsgerichts: 2 WD 16.20

BVerwG 2 WD 16.20
TDG Süd 3. Kammer – 13.02.2020 – AZ: TDG S 3 VL 41/16

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