Bundesverwaltungsgericht entscheidet über eine Berufung nach der Wehrdisziplinarordnung (WDO) – Beschluss des 2. Wehrdienstsenats vom 1. Oktober 2020 – BVerwG 2 WD 20.19

Leitsätze:

1. Für die Disziplinarwürdigkeit des Besitzes, Sichverschaffens und Zugänglichmachens kinder- und jugendpornografischer Dateien ist es unerheblich, ob der Täter pädophil ist.

2. Der Milderungsgrund der Nachbewährung setzt eine deutliche Leistungssteigerung oder Beibehaltung eines hohen Leistungsniveaus über einen hinreichend aussagekräftigen Zeitraum voraus.

Hervorzuhebende Auszüge aus der Entscheidung:

Voraussetzungen an die außerdienstliche Wohlverhaltenspflicht (Rn. 20 f.)

Er hat insoweit vorsätzlich seine außerdienstliche Wohlverhaltenspflicht nach § 17 Abs. 2 SG verletzt.

Danach hat sich ein Soldat außer Dienst und außerhalb der dienstlichen Unterkünfte und Anlagen so zu verhalten, dass er die Achtung und das Vertrauen, die seine dienstliche Stellung erfordert, nicht ernsthaft beeinträchtigt. Eine solche ernsthafte Beeinträchtigung ist regelmäßig anzunehmen, wenn eine Straftat begangen wird, die mit einer Freiheitsstrafe im mittleren Bereich sanktioniert werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Juni 2019 – 2 WD 21.18 – NVwZ-RR 2019, 961 Rn. 19 m.w.N.).

§ 17 II 3 SG als abschließende Regelung für außerdienstliches strafrechtliches Verhalten (Rn. 25)

Nicht hingegen hat der frühere Soldat auch seine Pflicht zum treuen Dienen (§ 7 SG) verletzt. Denn § 17 Abs. 2 Satz 2 SG bildet eine abschließende Regelung für Verfehlungen strafrechtlichen Gehalts außerhalb des Dienstes und außerhalb dienstlicher Unterkünfte und Anlagen und verbietet insoweit einen Rückgriff auf § 7 SG unter dem Gesichtspunkt eines Verstoßes gegen die Loyalität zur Rechtsordnung (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. März 2014 – 2 WD 5.13 – BVerwGE 149, 224 Rn. 53).

Regelmaßnahmen bei Besitz / Besitzverschaffen / zur Verfügung stellen von kinderpornografischen Dateien (Rn. 28)

Diese besteht beim Besitz kinder- und jugendpornografischer Dateien und dem Sichverschaffen des Besitzes regelmäßig in einer Dienstgradherabsetzung. Im Fall des Verbreitens, Verschaffens und Zugänglichmachens derartiger Dateien ist im Regelfall die Höchstmaßnahme tat- und schuldangemessen (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. April 2020 – 2 WD 4.19 – juris Rn. 13 m.w.N.). Denn die aktive Beteiligung am kinder- und jugendpornografischen Marktgeschehen als Anbieter stellt regelmäßig ein wesentlich höheres Unrecht dar als die eher passive Beteiligung als nachfragender Konsument. Dies kommt in den unterschiedlichen gesetzlichen Strafrahmen zum Ausdruck. Diese strafrechtliche Wertung ist auch für die disziplinarrechtliche Würdigung leitend. Denn dies gewährleistet eine nachvollziehbare und gleichmäßige disziplinarische Ahndung (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. April 2020 – 2 WD 4.19 – juris Rn. 16 m.w.N.).

Höhe der Kriminalstrafe ohne Bedeutung für Maßnahmebemessung (Rn. 35)

Ohne Bedeutung ist auch, dass gegen den früheren Soldaten im sachgleichen Strafverfahren eine Freiheitsstrafe von unter einem Jahr verhängt wurde, so dass das Dienstverhältnis nicht bereits mit Eintritt der Rechtskraft des Strafurteils zur Beendigung des Soldatenverhältnisses führte. Steht im Einzelfall – wie hier – § 16 WDO der Zulässigkeit des Ausspruchs einer Disziplinarmaßnahme nicht entgegen, ist die Art oder Höhe einer Kriminalstrafe für die Gewichtung der Schwere des sachgleichen Dienstvergehens regelmäßig nicht ausschlaggebend. Eine die disziplinare Maßnahmebemessung begrenzende Indizwirkung kommt ihr wegen der unterschiedlichen Zwecke des Straf- und Disziplinarrechts nicht zu. Während die konkrete Strafzumessung strafrechtlichen Kriterien folgt, wird die disziplinare Maßnahmebemessung insbesondere durch den Vertrauensverlust des Dienstherrn und der Allgemeinheit bestimmt (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Juni 2020 – 2 WD 10.19 – juris Rn. 59 m.w.N.).

Volltext der Entscheidung auf der Website des Bundesverwaltungsgerichts: 2 WD 20.19

BVerwG 2 WD 20.19

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