Bundesverwaltungsgericht entscheidet über eine Berufung nach der Wehrdisziplinarordnung (WDO) – Urteil des 2. Wehrdienstsenats vom 14. März 2019 – BVerwG 2 WD 22.18

Hervorzuhebende Auszüge aus der Entscheidung

Prozessstoff bei maßnahmebeschränkter Berufung (Rn. 19)

Diese Tat- und Schuldfeststellungen sind eindeutig und widerspruchsfrei und für den Senat damit bindend. Ob sie vom Truppendienstgericht rechtsfehlerfrei getroffen wurden, darf vom Senat nicht überprüft werden. Denn bei einer auf die Bemessung der Disziplinarmaßnahme beschränkten Berufung wird der Prozessstoff nicht mehr von der Anschuldigungsschrift, sondern nur von den bindenden Tat- und Schuldfeststellungen des angefochtenen Urteils bestimmt (BVerwG, Urteil vom 21. Juni 2018 – 2 WD 4.18 – juris Rn. 18).

Grundsätze für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme (Rn. 20)

Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist von der von Verfassungs wegen allein zulässigen Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts auszugehen. Diese besteht ausschließlich darin, dazu beizutragen, einen ordnungsgemäßen Dienstbetrieb wiederherzustellen und/oder aufrechtzuerhalten („Wiederherstellung und Sicherung der Integrität, des Ansehens und der Disziplin in der Bundeswehr“, vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 11. Juni 2008 – 2 WD 11.07 – Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 26 Rn. 23 m.w.N.). Bei Art und Maß der Disziplinarmaßnahme sind nach § 58 Abs. 7 i.V.m. § 38 Abs. 1 WDO Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des Soldaten zu berücksichtigen.

Disziplinarrechtliche Beurteilung von außerdienstlich begangenen körperlichen Misshandlungen (Rn. 22)

Eine körperliche Misshandlung ist sowohl mit dem Menschenbild des Grundgesetzes und dem Verfassungsprinzip der Wahrung der Menschenrechte als auch mit der gesetzlichen Verpflichtung eines Vorgesetzten zu vorbildhaftem Verhalten gemäß § 10 Abs. 1 SG unvereinbar. Dadurch hat der Soldat ernsthafte Zweifel an seiner Eignung für die Dienststellung als Vorgesetzter aufgeworfen. Nach Art. 1 Abs. 1 GG ist die Würde des Menschen unantastbar; sie zu achten und zu schützen, ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt, und dieses Gebot kann innerhalb wie außerhalb der Streitkräfte nicht unterschiedlich gelten. Die körperliche Unversehrtheit eines jeden Menschen ist durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleistet. Diese Grundrechte bedürfen nicht nur im militärischen Bereich besonderer Beachtung, wo ihre Verletzung mit Freiheitsstrafe bedroht ist (§§ 30, 31 WStG); derartige Verstöße sind auch generell durch das allgemeine Kriminalstrafrecht sanktioniert. Diesen Verpflichtungen hat ein Soldat auch außer Dienst sowie außerhalb dienstlicher Unterkünfte und Anlagen jederzeit zu entsprechen. Amtsinhaber, die – wie Soldaten – rechtmäßig das staatliche Gewaltmonopol wahrnehmen, müssen jederzeit Gewähr dafür bieten, dies verantwortungsvoll zu tun und (straf-)gesetzliche Grenzen der Gewaltanwendung zu respektieren. Die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten auch außerhalb des Dienstes (§ 17 Abs. 2 Satz 3 SG) ist keine bloße Nebenpflicht, sondern hat funktionalen Bezug zur Erfüllung des grundgesetzmäßigen Auftrages der Streitkräfte und zur Gewährleistung des militärischen Dienstbetriebs. Wer durch seine Unfähigkeit oder Unwilligkeit, die Grenzen der rechtmäßigen Anwendung von Gewalt im außerdienstlichen Bereich zu achten, Achtung und Vertrauen, die seine dienstliche Stellung erfordern, ernsthaft beeinträchtigt, gefährdet damit die Voraussetzungen seiner Verwendungsfähigkeit und beeinträchtigt den Ablauf des militärischen Dienstes (BVerwG, Urteil vom 21. Juni 2018 – 2 WD 4.18 – juris Rn. 22 m.w.N.).

Erhöhung des Gewichts des Dienstvergehens durch Vorgesetztenstellung (Rn. 24)

Eigenart und Schwere des Dienstvergehens werden des Weiteren dadurch bestimmt, dass der Soldat als Hauptfeldwebel in einem Vorgesetztenverhältnis stand (§ 1 Abs. 3 Satz 1 und 2 SG i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 VorgV) und er daher gemäß § 10 SG zu vorbildlicher Pflichterfüllung verpflichtet war. Wer in dieser Stellung eine Pflichtverletzung begeht, gibt ein schlechtes Beispiel, was das Gewicht seines Dienstvergehens erhöht (BVerwG, Urteil vom 21. Juni 2018 – 2 WD 4.18 – juris Rn. 23).

Regelmaßnahme für außerdienstlich begangene Körperverletzung (Rn. 34)

Auf der ersten Stufe bestimmt er im Hinblick auf das Gebot der Gleichbehandlung vergleichbarer Fälle sowie im Interesse der rechtsstaatlich gebotenen Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit der Disziplinarmaßnahme eine Regelmaßnahme für die in Rede stehende Fallgruppe. Bei außerdienstlich begangenen vorsätzlichen Körperverletzungen bildet den Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen die Herabsetzung im Dienstgrad jedenfalls dann, wenn eine brutale körperliche Misshandlung im Sinne der §§ 224 bis 227 StGB vorliegt (BVerwG, Urteil vom 24. Mai 2012 – 2 WD 18.11 – Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 37 Rn. 32). Dasselbe gilt, wenn in der Verletzungshandlung in der Intensität der Schutzgutverletzung eine kriminelle Energie zum Ausdruck kommt, die mit derjenigen einer gefährlichen Körperverletzung vergleichbar ist und die wegen des Maßes an Disziplinlosigkeit in vergleichbarer Weise Zweifel an der Integrität eines Soldaten weckt (BVerwG, Urteile vom 4. Juli 2013 – 2 WD 21.12 – jurion Rn. 43 und vom 3. August 2016 – 2 WD 20.15 – juris Rn. 46). Davon ist bei mehrfachen Wiederholungen (BVerwG, Urteil vom 3. August 2016 – 2 WD 20.15 – juris Rn. 47) oder bei solchen Körperverletzungen im Sinne von § 223 Abs. 1 StGB auszugehen, die in ihrer Begehungsweise durch besondere Brutalität gekennzeichnet sind (BVerwG, Urteile vom 7. März 2013 – 2 WD 28.12 – juris Rn. 51 f. und vom 12. März 2015 – 2 WD 3.14 – juris Rn. 82).

Regelmaßnahme bei versuchter räuberischer Erpressung im minder schweren Fall (Rn. 36)

Eine Dienstgradherabsetzung ist auch wegen der versuchten räuberischen Erpressung zum Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen zu nehmen. Der Senat hat im Fall der Verwirklichung eines – mit der räuberischen Erpressung vergleichbaren (§ 255 StGB) – Raubtatbestandes die Höchstmaßnahme zum Ausgangspunkt genommen (BVerwG, Urteil vom 6. Dezember 1995 – 2 WD 25.95 – jurion Rn. 26). Zwar ist die vorliegende Fallgestaltung damit nicht vollständig vergleichbar. Der Soldat hat vorliegend keine Gewalt (vis absoluta) eingesetzt, die Tat verblieb im Versuchsstadium und das Strafgericht hat mit Recht lediglich einen minder schweren Fall angenommen. Auch bei einer Gesamtbetrachtung erlangt das Dienstvergehen damit ein wesentlich geringeres Gewicht, so dass eine Degradierung im Regelfall als ausreichend anzusehen ist.

Volltextveröffentlichung auf der Website des Bundesverwaltungsgerichts: 2 WD 22.18

BVerwG 2 WD 22.18
TDG Nord 6. Kammer – 17.05.2018 – AZ: TDG N 6 VL 31/16

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