Bundesverwaltungsgericht entscheidet über eine Berufung nach der Wehrdisziplinarordnung (WDO) – Urteil des 2. Wehrdienstsenats vom 11. September 2019 – BVerwG 2 WD 26.18
Leitsatz:
Wer auf seiner externen Festplatte gespeicherte kinderpornografische Dateien über einen angeschlossenen Laptop löscht, hat an den dadurch in einen unzugänglichen Bereich der externen Festplatte verschobenen Dateien und den zugleich automatisch auf der externen Festplatte gespeicherten Dubletten dieser Dateien, die nur mit einer Spezialsoftware zugänglich sind, keinen Besitz (mehr).
Hervorzuhebende Auszüge aus der Entscheidung:
Voraussetzungen für die Lösung von tatsächlichen Feststellungen eines Strafbefehls gem. § 84 II WDO (Rn. 17)
Dabei war der Senat nicht an die anderslautenden Feststellungen in dem seit dem 15. Juli 2015 rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts … vom 25. Juni 2015 (…) gebunden. Zwar können der Entscheidung im gerichtlichen Disziplinarverfahren nach § 84 Abs. 2 WDO die in einem anderen gesetzlich geordneten Verfahren getroffenen tatsächlichen Feststellung ohne nochmalige Prüfung zugrunde gelegt werden. Dies gilt auch für tatsächliche Feststellungen, die in einem Strafbefehlsverfahren getroffen wurden (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. März 2019 – 2 WD 11.18 – StE 2019, 341 Rn. 13). Die Möglichkeit der Übernahme von Tatsachenfeststellungen ohne weitere Beweiserhebung endet aber dann, wenn die Indizwirkung des Strafbefehls entkräftet wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. September 2014 – 2 B 14.14 – Buchholz 235.1 § 57 BDG Nr. 5 Rn. 10).
Anforderungen an des Tatbestandsmerkmal „besitzen“ des § 184b StGB bei Löschen von Dateien (Rn. 24)
Für die Auslegung des Tatbestandsmerkmals „besitzen“ i. S. d. § 184b Abs. 4 Satz 2 und § 184c Abs. 4 Satz 1 StGB kann auf die Rechtsprechung zu § 29 Abs. 1 Nr. 3 BtMG zurückgegriffen werden (vgl. BT-Drucks. 12/3001, S. 6 zu § 184 Abs. 5 StGB a.F.). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt Besitz i.S.d. Betäubungsmittelgesetzes ein tatsächliches Innehaben, ein tatsächliches Herrschaftsverhältnis und einen Besitzwillen voraus, der darauf gerichtet ist, sich die Möglichkeit ungehinderter Einwirkung auf die Sache zu erhalten (vgl. BGH, Urteil vom 8. November 2016 – 1 StR 492/15 – BGHR BtMG § 29a Abs. 1 Nr. 2 Menge 24 Rn. 48). Bei Dateien entfällt der Besitz, wenn sie vollständig gelöscht werden (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2006 – 1 StR 430/06 – NStZ 2007, 95 und Beschluss vom 25. September 2018 – 3 StR 113/18 – StV 2019, 336). Bestehen gelöschte Dateien an einem Speicherort fort, die dem durchschnittlichen Computerbesitzer nicht mehr ohne Weiteres zugänglich sind, so begründet dies mangels Aufrechterhaltung eines tatsächlichen Herrschaftsverhältnisses ebenfalls keinen Besitz mehr; dies gilt selbst dann, wenn die betreffende Person über die Kenntnis und Fähigkeit verfügt, sie wiederherzustellen (vgl. BGH, Beschluss vom 25. September 2018 – 3 StR 113/18 – StV 2019, 336 Rn. 3). Zudem kann im Fall der Löschung von Dateien der diesbezügliche Besitzwille fehlen (vgl. BGH, Beschluss vom 25. September 2018 – 3 StR 113/18 – StV 2019, 336 Rn. 3).
BVerwG 2 WD 26.18
TDG Süd 3. Kammer – 11.06.2018 – AZ: TDG S 3 VL 17/16