Bundesverwaltungsgericht entscheidet über eine Berufung nach der Wehrdisziplinarordnung (WDO) – Urteil des 2. Wehrdienstsenats vom 11. November 2021 – BVerwG 2 WD 28.20

Leitsatz

Die Nichtberücksichtigung einer Nachtragsanschuldigungsschrift durch das Truppendienstgericht begründet nur dann einen schweren Verfahrensmangel im Sinne des § 121 Abs. 2 WDO, wenn die darin enthaltenen Vorwürfe für das Verfahren neu sind.

Hervorzuhebende Auszüge aus der Entscheidung

Anforderungen und Verfahren bei einer Nachtragsanschuldigungsschrift (Rn. 18, 19)

Gemäß § 99 Abs. 2, § 100 Satz 1 WDO hat im Regelfall der Vorsitzende der Truppendienstkammer auf die Mitteilung des Wehrdisziplinaranwalts, dass die Einbeziehung weiterer Anschuldigungspunkte in das Verfahren beabsichtigt sei, das Verfahren bis zur Vorlage einer Nachtragsanschuldigungsschrift auszusetzen und diese dem Soldaten mit einer Äußerungsfrist zuzustellen. Mit Eingang der Nachtragsanschuldigung beim Truppendienstgericht ist das Verfahren nach § 99 Abs. 1 Satz 4 WDO auch hinsichtlich der darin erhobenen Vorwürfe anhängig, so dass auch diese gemäß § 107 Abs. 1 WDO der Entscheidung zugrunde zu legen sind.

Berücksichtigt das Truppendienstgericht mit einer Nachtragsanschuldigung erhobene Vorwürfe nicht, liegt ein schwerer Verfahrensmangel vor, der in einem unbeschränkten Berufungsverfahren eine Aufhebung des Urteils verbunden mit einer Zurückverweisung gebieten kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 31. Mai 1979 – 2 WD 29.79 – BVerwGE 63, 237 <242>). Eine zu berücksichtigende Nachtragsanschuldigung liegt allerdings nur vor, wenn die darin enthaltenen Vorwürfe für das Verfahren neu sind. Daran fehlt es, wenn lediglich mit anderen Worten ein schon in der Anschuldigungsschrift enthaltener Vorwurf wiederholt wird (vgl. Dau/Schütz, WDO, 7. Aufl. 2017, § 99 Rn. 20).

Inhalt der Dienstpflicht „Pflicht zum treuen Dienen“ im Sinne des § 7 SG (Rn. 31)

Die Pflicht zum treuen Dienen gebietet einem Soldaten, seine dienstlichen Aufgaben und Pflichten gewissenhaft, sorgfältig und loyal zu erfüllen. Sie umfasst die Verpflichtung zur Loyalität gegenüber der geltenden Rechtsordnung, vor allem zur Beachtung der Strafgesetze, und die Pflicht, das Vermögen des Dienstherrn zu schützen (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. August 2019 – 2 WD 28.18 – Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 68 Rn. 37 m.w.N.).

Regelmaßnahme bei einem Soldat in Vorgesetztenstellung, der sich am Vermögen des Dienstherrn vergreift (Rn. 48)

Dies ist bei einem Soldaten in einer Vorgesetztenstellung, der sich vorsätzlich am Eigentum oder Vermögen seines Dienstherrn vergreift, eine Dienstgradherabsetzung. Handelt der Soldat wiederholt über einen längeren Zeitraum hinweg und bewegt sich der Gesamtschaden im fünfstelligen Euro-Bereich, ist regelmäßig die Höchstmaßnahme angezeigt (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Februar 2021 – 2 WD 9.20 – NVwZ-RR 2021, 674 Rn. 42 m.w.N.). Entsprechendes gilt bei einem vorsätzlichen Zugriff auf das Eigentum oder Vermögen des Dienstherrn im Bereich der dienstlichen Kernpflichten (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. August 2019 – 2 WD 28.18 – Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 68 Rn. 54 m.w.N.).

Volltextveröffentlichung auf der Website des Bundesverwaltungsgerichts: 2 WD 28.20

BVerwG 2 WD 28.20
TDG Nord 6. Kammer – 20.08.2020 – AZ: TDG N 6 VL 36/17

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