Bundesverwaltungsgericht entscheidet über eine Berufung nach der Wehrdisziplinarordnung (WDO) – Urteil des 2. Wehrdienstsenats vom 21. November 2019 – BVerwG 2 WD 31.18

Leitsatz:

Ein einmaliger, nicht geringfügiger Betrugsversuch eines Reserveoffiziers stellt jedenfalls dann ein unwürdiges Verhalten i.S.d. § 23 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 SG dar, wenn er sich gegen den Dienstherrn richtet.

Hervorzuhebende Auszüge aus der Entscheidung:

Dienstvergehen eines früheren Offiziers oder Unteroffiziers durch unwürdiges Verhalten nach § 23 II Nr. 2 Alt. 2 SG i.V.m. § 17 III SG (Rn. 20 ff.)

Entgegen der Annahme des Truppendienstgerichts hat er damit ein Dienstvergehen begangen. Nach § 23 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 SG gilt es als Dienstvergehen, wenn ein Offizier oder Unteroffizier nach seinem Ausscheiden aus dem Wehrdienst durch unwürdiges Verhalten nicht der Achtung und dem Vertrauen gerecht wird, die für seine Wiederverwendung als Vorgesetzter erforderlich sind, wobei mit der Formulierung „Wiederverwendung als Vorgesetzter“ eine „Wiederverwendung in seinem Dienstgrad“ gemeint ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juli 1990 – 2 WD 16.89 – BVerwGE 86, 309 <311> m.w.N.).

§ 23 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 SG setzt einen schuldhaften Verstoß gegen § 17 Abs. 3 SG voraus, wonach ein Offizier oder Unteroffizier auch nach seinem Ausscheiden aus dem Wehrdienst der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden muss, die für seine Wiederverwendung in seinem Dienstgrad erforderlich sind. Der Verstoß muss zudem ein „unwürdiges Verhalten“ darstellen. Beide Voraussetzungen sind hier erfüllt:

aa) Zutreffend hat das Truppendienstgericht in dem Verhalten des früheren Soldaten einen schuldhaften Verstoß gegen § 17 Abs. 3 SG gesehen.

(1) § 17 Abs. 3 SG setzt zunächst voraus, dass der betreffende Offizier oder Unteroffizier nach den für seine Wiederverwendung maßgeblichen Rechtsvorschriften erneut in ein Wehrdienstverhältnis berufen werden kann (BVerwG, Urteil vom 7. März 2019 – 2 WD 11.18 – juris Rn. 27).
(…)

(2) Ein früherer Offizier oder Unteroffizier verletzt seine Pflicht nach § 17 Abs. 3 SG, wenn sein Verhalten objektiv geeignet ist, ihn für eine Wiederverwendung in seinem Dienstgrad zu disqualifizieren, d.h. wenn bei einem entsprechenden Verhalten eines aktiven Offiziers oder Unteroffiziers Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen eine Dienstgradherabsetzung wäre (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. März 2019 – 2 WD 11.18 – juris Rn. 28).

Anforderungen an das unwürdige Verhalten i.S.d. § 23 II Nr. 2 Alt. 2 SG (Rn. 27 ff.)

Sein Pflichtverstoß stellt ein unwürdiges Verhalten i.S.d. § 23 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 SG dar.

Darunter ist ein „Fehlverhalten von besonderer Intensität, ein Sichhinwegsetzen über die unter Soldaten und von der Gesellschaft anerkannten Mindestanforderungen an eine auf Anstand, Sitte und Ehre bedachte Verhaltensweise eines Reservisten mit Vorgesetztenrang“ zu verstehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. März 2019 – 2 WD 11.18 – juris Rn. 31). Insoweit sind sowohl die Motive des früheren Soldaten als auch alle in der Tat selbst liegenden Milderungs- und Erschwerungsgründe zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Februar 2016 – 2 WD 4.15 – BVerwGE 154, 163 Rn. 71). Hingegen sind – anders als das Truppendienstgericht offenbar meint – nicht alle Milderungs- und Erschwernisgründe bereits bei der Frage zu prüfen, ob das Verhalten als „unwürdig“ zu bewerten und überhaupt als Dienstvergehen anzusehen ist. Insbesondere sind die in der Person des Soldaten und seiner bisherigen Führung liegenden Umstände, seine nachträgliche Reue und Unrechtseinsicht, die Auswirkungen der Tat und die überlange Dauer des Gerichtsverfahrens bei dieser Frage außen vor zu lassen.

Nach der bisherigen Rechtsprechung ist ein mehrfaches kriminelles Verhalten als „unwürdig“ einzustufen (BVerwG, Urteil vom 10. Februar 2016 – 2 WD 4.15 – BVerwGE 154, 163 Rn. 70). Dies ist jedoch nicht die einzige Fallgruppe unwürdigen Verhaltens. Vielmehr kann auch schon ein einmaliges strafbares Verhalten unter Berücksichtigung aller Tatumstände nach den von der Rechtsordnung vorgegebenen Bewertungskriterien als ein für einen Unteroffizier oder Offizier „unwürdiges“ Verhalten zu bewerten sein.

Der frühere Soldat hat mit dem versuchten Betrug eine von Amts wegen zu verfolgende Straftat (sog. Offizialdelikt) begangen. Denn die Geringwertigkeitsschwelle nach § 263 Abs. 4 i.V.m. § 248a StGB, die derzeit nicht mehr als 50 € beträgt (vgl. Fischer, StGB, 66. Aufl. 2019, § 248a Rn. 3a), wurde überschritten. Entsprechendes gilt für die vom Senat bei etwa 50 € angesiedelte „Bagatellgrenze“, deren Unterschreiten maßnahmemildernd Berücksichtigung findet (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Mai 2018 – 2 WD 2.18 – juris Rn. 36 m.w.N.). Ein nicht geringfügiger Betrugsversuch eines Reserveoffiziers stellt jedenfalls dann ein unwürdiges Verhalten i.S.d. § 23 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 SG dar, wenn er sich unmittelbar gegen den Dienstherrn richtet. Ein Reserveoffizier, der seinem Dienstherrn finanziell zu seinem eigenen Vorteil Schaden zufügen will, stört das Vertrauensverhältnis zu seinem Dienstherrn nachhaltig und begründet ernsthafte Zweifel an seiner Zuverlässigkeit und Integrität. Auch die Öffentlichkeit hat kein Verständnis dafür, wenn ein Reserveoffizier durch unrichtige Angaben in einem Reisekostenantrag anstrebt, dass ihm nicht zustehende öffentliche Gelder ausgezahlt werden.

Volltext der Entscheidung auf der Website des Bundesverwaltungsgerichts: 2 WD 31.18

BVerwG 2 WD 31.18
TDG Süd 5. Kammer – 05.09.2018 – AZ: TDG S 5 VL 11/17

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