Bundesverwaltungsgericht entscheidet über eine Beschwerde nach der Wehrdisziplinarordnung (WDO) – Beschluss des 2. Wehrdienstsenats vom 27. April 2017 – BVerwG 2 WDB 1.17
Hervorzuhebende Auszüge aus der Entscheidung:
Voraussetzungen der Bestimmung des zuständigen Truppendienstgerichts nach § 70 III WDO (Rn. 10 f.)
Nach § 70 Abs. 3 WDO bestimmt das Bundesverwaltungsgericht auf Antrag das zuständige Truppendienstgericht, wenn bei zusammenhängenden Dienstvergehen mehrerer Soldaten unterschiedliche Gerichtsstände bestehen. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Zulässigkeit eines Antrages nach § 70 Abs. 3 WDO die Bindungswirkung eines Verweisungsbeschlusses aus § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG entgegenstehen kann. Der Verweisungsbeschluss entfaltet zwar in entsprechender Anwendung des § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG Bindungswirkung, weil das Bundesverwaltungsgericht wegen des Fehlens einer den § 48 ArbGG, § 83 VwGO, § 202 SGG, § 155 FGO vergleichbaren Regelung in der WDO § 17a Abs. 2 GVG analog anwendet (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. Juli 2014 – 2 WDB 5.13 – BVerwGE 150, 162) und die dafür tragende Begründung der Prozessökonomie auch Satz 3 des § 17a Abs. 2 GVG einschließt. Zwar darf das Truppendienstgericht den Antrag nach § 70 Abs. 3 WDO nicht rechtsmissbräuchlich instrumentalisieren, um seine Bindung aus § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG zu unterlaufen. Hier ist die Antragstellung aber ersichtlich nicht missbräuchlich, diente der Verweisungsbeschluss des Truppendienstgerichts Nord auch dem Zweck, die Voraussetzungen für die prozessual ordnungsgemäße Herbeiführung des gemeinsamen Gerichtsstandes zu schaffen. Denn der Verweisungsbeschluss des Truppendienstgerichts Nord war ausschließlich auf das Verhalten der Wehrdisziplinaranwaltschaft zurückzuführen, das beim Truppendienstgericht Nord die gegen den früheren Soldaten gerichtete Anschuldigungsschrift unter Verkennung der Regelungssystematik von § 94 Abs. 5 und § 70 Abs. 3 WDO deshalb eingereicht hat, weil dort bereits seit dem 6. Oktober 2016 das gegen den Obermaat … gerichtete gerichtliche Disziplinarverfahren anhängig war. Korrekterweise hätte die Wehrdisziplinaranwaltschaft die Anschuldigungsschrift – aus noch darzulegenden Gründen – sogleich beim Truppendienstgericht Süd als dem Gericht einreichen müssen, an das das Truppendienstgericht Nord die Sache sodann auch verwiesen hat. Unter diesen Voraussetzungen besteht vorliegend keine Gefahr, dass durch eine Gerichtsbestimmung nach § 70 Abs. 3 WDO ein Wertungswiderspruch zu den von einem Verweisungsbeschluss etwaig ausgehenden Bindungswirkungen entsteht.
Voraussetzungen des Zusammenhangs mehrerer Dienstvergehen (Rn. 16)
Die Wehrdisziplinarordnung enthält zwar keine ausdrückliche Regelung darüber, unter welchen Voraussetzungen ein Zusammenhang zwischen mehreren Dienstvergehen besteht. Der Wortlaut besagt nur, dass persönliche oder sachliche Gründe eine Art Klammer zwischen den Dienstpflichtverletzungen bilden müssen. Dem Regelungszusammenhang, der Entstehungsgeschichte und dem daraus ableitbaren Zweck der Vorschrift lässt sich jedoch entnehmen, dass ein Zusammenhang zwischen mehreren Dienstvergehen jedenfalls dann anzunehmen ist, wenn Gegenstand der jeweiligen Disziplinarverfahren eine einheitliche Tat ist, bei der die betroffenen Soldaten als Mittäter oder Teilnehmer beteiligt waren (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 30. Juni 2010 – 2 WDB 2.10 – Rn. 7 m.w.N. und vom 23. Januar 2015 – 2 WDB 2.14 – Buchholz 450.2 § 70 WDO 2002 Nr. 5 Rn. 9).
Volltext der Entscheidung auf der Website des Bundesverwaltungsgerichts: 2 WDB 1.17
BVerwG 2 WDB 1.17