Bundesverwaltungsgericht entscheidet über eine Beschwerde nach der Wehrdisziplinarordnung (WDO) – Beschluss des 2. Wehrdienstsenats vom 9. Juni 2017 – BVerwG 2 WDB 4.16

Leitsatz:

Im Verhältnis zwischen der Entscheidung über die Verhängung der Höchstmaßnahme und der selbständigen Nebenentscheidung nach § 63 Abs. 3 WDO ist eine Teilrechtskraft des Urteils möglich.

Hervorzuhebende Auszüge aus der Entscheidung:

Teilrechtskraft zwischen Entscheidung über Höchstmaßnahme und selbstständiger Nebenentscheidung nach § 63 III WDO möglich (Rn. 7 ff.)

Der Erteilung der Bescheinigung stand die gegen die Aberkennung des Unterhaltsbeitrages gerichtete Berufung des Beschwerdeführers nicht entgegen. Diese hinderte den Eintritt der Rechtskraft des Urteils in der nicht angegriffenen Entscheidung über die Verhängung der Disziplinarmaßnahme nicht. Soweit der Wehrdienstsenat in seiner älteren Rechtsprechung (BVerwG, Beschluss vom 31. Dezember 1959 – WDB 31/59 – BDHE 5, 215; so auch Beschluss vom 6. Februar 1995 – 1 D 44.94 – BVerwGE 103, 208 <210> zur BDO; Dau, WDO, 6. Aufl. 2013, § 91 Rn. 12, § 125 Rn. 4) – etwas anderes vertreten hatte, wird hieran nicht festgehalten (so bereits BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 2005 – 2 WD 4.05 – Rn. 98). Im Verhältnis zwischen der Entscheidung über die Verhängung der Höchstmaßnahme und der selbständigen Nebenentscheidung nach § 63 Abs. 3 WDO ist eine Teilrechtskraft des Urteils möglich.

Dem steht der Wortlaut des § 125 Abs. 1 Satz 1 WDO nicht entgegen.
Zwar werden hiernach Entscheidungen nach Ablauf der Rechtsmittelfrist rechtskräftig, „wenn“ kein Rechtsmittel eingelegt wird, während nach § 316 Abs. 1 StPO die rechtzeitige Einlegung der Berufung die Rechtskraft des Urteils hemmt, „soweit“ es angefochten wird. Während die Verwendung von „soweit“ ohne Weiteres auf die Möglichkeit einer Teilrechtskraft bei einem beschränkten Rechtsmittel hinweist, spricht die Konjunktion „wenn“ dafür, dass jedes Rechtsmittel dem Eintritt der Rechtskraft entgegensteht.
Allerdings ist der Nebensatz in § 125 Abs. 1 Satz 1 WDO im Zusammenhang mit seinem Hauptsatz auszulegen. Darin ist von „Entscheidungen des Truppendienstgerichts“ und nicht wie in § 316 StPO von der Rechtskraft eines Urteils die Rede. Mithin wird jede einzelne Entscheidung dann rechtskräftig, wenn gegen sie ein Rechtsmittel zulässig ist, aber nicht bis zum Ablauf aller Fristen eingelegt wird.

Welche „Entscheidungen“ im Sinne der Norm selbständig anfechtbar sind, ergibt sich aus der Gesetzessystematik. Hiernach ist „Entscheidung“ nicht mit „Urteil“ identisch. Denn den Begriff der „Entscheidung“ erläutert zum einen § 108 Abs. 1 WDO durch die Aufzählung der zulässigen Entscheidungen über die erhobenen Vorwürfe, nämlich Verhängung einer Disziplinarmaßnahme, Freispruch oder Einstellung. Daneben ergibt sich aber aus den Überschriften „10. Rechtsmittel a) Beschwerde gegen gerichtliche Entscheidungen“ des Dritten Abschnittes des Zweiten Teils der Wehrdisziplinarordnung und aus § 114 Abs. 1 WDO, dass die Wehrdisziplinarordnung zudem Beschlüsse und gerichtliche Verfügungen als gerichtliche Entscheidungen bezeichnet. Des Weiteren überträgt die Wehrdisziplinarordnung dem Truppendienstgericht auch Ermessensentscheidungen zu disziplinarrechtlichen Folgemaßnahmen in § 63 Abs. 3 Sätze 1 und 2, § 65 Abs. 2 Satz 2 und § 109 Abs. 3 WDO. Die genannten Normen bestimmen ausdrücklich, dass das eingeräumte Ermessen „in dem Urteil“ auszuüben ist und stellen damit klar, dass dieses nicht nur die Entscheidung über das „ob“ und „wie“ einer Disziplinarmaßnahme enthält. Vielmehr steht hier eine weitere Form der – selbständig mit einem Rechtsmittel angreifbaren – Entscheidung in Rede, die nicht Beschluss oder gerichtliche Verfügung ist und im Urteil als Verwaltungsmaßnahme neben der Hauptsacheentscheidung über die Sanktion des Fehlverhaltens enthalten ist (BVerwG, Urteil vom 22. Januar 1975 – 2 WD 27.74 – S. 14 f. m.w.N.). Für das Vorliegen selbständiger Entscheidungen, die gesondert der Rechtskraft fähig sind, spricht zudem § 115 Abs. 2 WDO.

Der Annahme einer Teilrechtskraft steht weder entgegen, dass in einem auf den Ausschluss des Unterhaltsbeitrages beschränkten Berufungsverfahren Prozessvoraussetzungen und mögliche Verfahrenshindernisse geprüft werden müssen (vgl. BVerwG, Urteile vom 5. Mai 1998 – 1 D 12.97 – Buchholz 232 § 54 Satz 2 BBG Nr. 16 S. 47, vom 6. Juni 2007 – 1 D 2.06 – juris Rn. 20 f. und Beschluss vom 22. September 2010 – 1 D 1.10 – juris Rn. 12), noch dass zwischen der Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme und der Entscheidung über den Ausschluss des Unterhaltsbeitrages ein innerer Zusammenhang besteht. Die Annahme einer Teilrechtskraft erklärt vielmehr, warum das Berufungsgericht im Falle einer wie hier beschränkten Berufung an die seiner Entscheidung zugrunde liegende Entscheidung des Truppendienstgerichts gebunden ist. Diese Bindungswirkung setzt voraus, dass es einen inneren Zusammenhang gibt.

Volltext der Entscheidung auf der Website des Bundesverwaltungsgerichts: 2 WDB 4.16

BVerwG 2 WDB 4.16
TDG Süd 2. Kammer – 29.11.2016 – AZ: TDG S 2 GL 3/16 (S 2 VL 34/15)

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