Bundesverwaltungsgericht entscheidet über die Zulassung einer Rechtsbeschwerde nach der Wehrbeschwerdeordnung (WBO) – Beschluss des 2. Wehrdienstsenats vom 25. April 2019 – BVerwG 2 WNB 1.19
Leitsatz:
Das Truppendienstgericht kann auch im Falle der Zurückweisung der weiteren Beschwerde den Tenor einer Disziplinarbuße entsprechend seinen Tatsachenfeststellungen neu fassen.
Hervorzuhebende Auszüge aus der Entscheidung:
Zulassungsgrund Rechtsbeschwerde: Grundsätzliche Bedeutung (Rn. 4)
Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache erfordert die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Rechtsbeschwerde entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts, der eine allgemeine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 1961 – 8 B 78.61 – BVerwGE 13, 90 <91 f.>). Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine bestimmte Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die der – gegebenenfalls erneuten oder weitergehenden – höchstrichterlichen Klärung bedarf, sofern mit dieser Klärung im angestrebten Rechtsbeschwerdeverfahren zu rechnen ist und hiervon eine Fortentwicklung der Rechtsprechung über den Einzelfall hinaus zu erwarten steht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Januar 2017 – 8 B 16.16 – Buchholz 451.622 EAEG Nr. 3 Rn. 16).
Befugnis des Truppendienstgerichts im Verfahren der weiteren Beschwerde (Rn. 5)
Nach diesen Maßstäben hat der Beschwerdeführer zwar die abstrakte Rechtsfrage aufgeworfen, ob ein Truppendienstgericht im Verfahren der weiteren Beschwerde nach § 42 Nr. 4 Satz 4 WDO befugt ist, den Tenor einer Disziplinarbuße neu zu fassen. Diese Frage bedarf jedoch keiner grundsätzlichen Klärung in einem Rechtsbeschwerdeverfahren. Denn es ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz, dass die angefochtene Disziplinarmaßnahme „in vollem Umfang“ der wehrdienstgerichtlichen Prüfung unterliegt und dass das Gericht „zugleich die in der Sache erforderliche Entscheidung trifft“. Demnach kann das Truppendienstgericht – wie zur wortgleichen Vorgängerregelung des § 38 Nr. 3 Satz 3 WDO a.F. bereits entschieden – die angefochtene Maßnahme bestätigen, sie in ihrer Höhe oder Art mildern oder auch ganz aufheben. Die Entscheidung des Gerichts beschränkt sich nicht auf eine Prüfung der Rechtmäßigkeit der verhängten Maßnahme. Vielmehr übt es selbst Disziplinargewalt aus; daran ändert nichts, dass es wegen des auch hier geltenden Verschlechterungsverbots die Maßnahme nicht verschärfen darf (BVerwG, Beschluss vom 14. Mai 1975 – 2 WDB 23.74 – BVerwGE 53, 43 <44 f.>). Aus dem klaren Wortlaut der Regelung und der einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechung ergibt sich damit, dass das Truppendienstgericht auch befugt ist, den im Tenor einer Disziplinarbuße enthaltenen Tatvorwurf durch eine neue Fassung zu präzisieren und an seine Tatsachenfeststellungen anzupassen (ebenso Dau/Schütz, WDO, 7. Aufl. 2017, § 42 Rn. 87).
Grundsatz der Gewährleistung rechtlichen Gehörs (Rn. 9)
Der Grundsatz der Gewährleistung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 23a Abs. 2 WBO i.V.m. § 108 Abs. 2 VwGO) verpflichtet das zur Entscheidung berufene Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (vgl. BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1997 – 1 BvR 1621/94 – BVerfGE 96, 205 <216 f.> m.w.N.). Aus Art. 103 Abs. 1 GG folgt indessen keine umfassende Hinweis- und Informationspflicht des Gerichts (BVerwG, Beschluss vom 20. Juni 2017 – 2 WNB 1.17 – juris Rn. 6 m.w.N.). Der Anspruch auf rechtliches Gehör verpflichtet ein Gericht grundsätzlich nicht, die Prozessbeteiligten schon vor der abschließenden Entscheidung auf das Ergebnis seiner Beweiswürdigung oder auf seine Rechtsauffassung hinzuweisen. Dementsprechend muss ein Truppendienstgericht die Beteiligten auch nicht vor seiner Entscheidung über die weitere Beschwerde darüber informieren, welche Vorwürfe es in welchem Umfang für erwiesen und welche Korrektur des Tenors der vorangegangenen Beschwerdeentscheidung es für erforderlich hält.
Es kann zwar im Ergebnis der Verhinderung eines Vortrages gleichkommen und damit eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör begründen, wenn ein Gericht ohne vorherigen Hinweis auf einen rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt abstellt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen braucht (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 29. Mai 1991 – 1 BvR 1383/90 – BVerfGE 84, 188 <190> und vom 19. Mai 1992 – 1 BvR 986/91 – BVerfGE 86, 133 <144 f.>).
Volltext der Entscheidung auf der Website des Bundesverwaltungsgerichts: 2 WNB 1.19
BVerwG 2 WNB 1.19
TDG Nord 1. Kammer – 04.09.2018 – AZ: TDG N 1 BLc 4/17 und N 1 RL 3/18