Bundesverwaltungsgericht entscheidet über die Zulassung einer Rechtsbeschwerde nach der Wehrbeschwerdeordnung (WBO) – Beschluss des 2. Wehrdienstsenats vom 13. Februar 2019 – BVerwG 2 WNB 5.18

Leitsatz:

Der Unmittelbarkeitsgrundsatz gilt für die gerichtliche Beweiserhebung im Verfahren der weiteren Beschwerde nach § 18 Abs. 2 WBO nur eingeschränkt.

Hervorzuhebende Auszüge aus der Entscheidung:

Zulassungsgrund Rechtsbeschwerde: Grundsätzliche Bedeutung (Rn. 4)

Die Beschwerde hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 22a Abs. 2 Nr. 1 WBO. Nach der Rechtsprechung der Wehrdienstsenate des Bundesverwaltungsgerichts sind an die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde nach § 22b Abs. 2 Satz 2 WBO dieselben Anforderungen zu stellen, wie sie von den Revisionssenaten des Bundesverwaltungsgerichts in ständiger Rechtsprechung für die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entwickelt worden sind (vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 7. Januar 2016 – 2 WNB 1.15 – Rn. 2 m.w.N.). Danach erfordert die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Rechtsbeschwerde entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts, der eine allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 1961 – 8 B 78.61 – Buchholz 310 § 132 Nr. 18 S. 21 f. und vom 12. April 2018 – 2 WNB 1.18 – juris Rn. 5).

Verfahren der weiteren Beschwerde gegen Disziplinarmaßnahmen (Rn. 6)

Im vorliegenden Verfahren entscheidet das Truppendienstgericht vielmehr über eine weitere Beschwerde gemäß § 42 Satz 1 Nr. 4 WDO nach den Vorschriften der Wehrbeschwerdeordnung und kann gemäß § 18 Abs. 2 Satz 2 WBO Beweise wie im gerichtlichen Disziplinarverfahren erheben. Dies setzt voraus, dass es im Rahmen seiner Verpflichtung, den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären (§ 18 Abs. 1 Satz 1 WBO), eine eigene Beweiserhebung in einer mündlichen Verhandlung für erforderlich hält. Bereits aus der Formulierung „kann“ geht hervor, dass das Truppendienstgericht auch ohne eigene Beweiserhebung und – wie hier – ohne mündliche Verhandlung (§ 18 Abs. 2 Satz 3 WBO) entscheiden kann, wenn es aufgrund der bei den Akten befindlichen Vernehmungen und Stellungnahmen des Beschuldigten und der Zeugen zu der Überzeugung gelangt, der Sachverhalt sei hinreichend aufgeklärt. Der Gesetzgeber hat mit der Entscheidung, in den Beschwerdeverfahren gegen einfache Disziplinarmaßnahmen nicht das förmliche Gerichtsverfahren nach der Wehrdisziplinarordnung und der Strafprozessordnung, sondern das formlosere Verfahren nach der Wehrbeschwerdeordnung vorzusehen, dem deutlich geringeren Stellenwert derartiger Verfahren gegenüber gerichtlichen Disziplinarverfahren Rechnung getragen (BVerwG, Beschlüsse vom 5. Mai 2010 – 2 WNB 5.10 – Rn. 8 und 5. November 2013 – 2 WNB 3.13 – juris Rn. 6). 

Unmittelbarkeitsgrundsatz im Wehrbeschwerdeverfahren (Rn. 8)

Da § 23a Abs. 1 WBO für das Wehrbeschwerderecht ergänzend auf die Vorschriften der Wehrdisziplinarordnung verweist, ist für den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme primär auf dessen Regelung in § 91 Abs. 1 Satz 1 WDO i.V.m. §§ 250 f. StPO abzustellen, sodass § 96 VwGO nicht unmittelbar einschlägig ist. Außerdem gilt dieser Grundsatz – worauf der Bundeswehrdisziplinaranwalt mit Recht hinweist – im Wehrbeschwerdeverfahren nicht uneingeschränkt. Denn § 18 Abs. 2 Satz 3 und 4 WBO sieht im Unterschied zu § 91 Abs. 1 Satz 1 WDO i.V.m. § 250 StPO gerade nicht regelmäßig die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und die Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung vor. Deswegen gilt das Prinzip der formellen Unmittelbarkeit der Beweiserhebung hier nicht. Das Truppendienstgericht ist im Verfahren der weiteren Beschwerde, anders als im förmlichen Disziplinarverfahren, gerade nicht verpflichtet, seine Entscheidung auf den unmittelbaren Eindruck der Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung zu stützen. Beruht der Beweis auf der Wahrnehmung einer Person, kann dessen Vernehmung in Abweichung von § 250 StPO durch die Verwertung eines über eine frühere Vernehmung aufgenommenen Protokolls oder einer Erklärung ersetzt werden.

Dies schließt allerdings die Geltung des vom Beschwerdeführer angeführten Grundsatzes der materiellen Unmittelbarkeit nicht aus. Denn § 18 Abs. 2 Satz 3 und 4 WBO verfolgt ebenso wie §§ 250 f. StPO, § 106 WDO und § 96 VwGO den Zweck, dass das Gericht seiner Entscheidung das in der jeweiligen prozessualen Situation geeignete und erforderliche Beweismittel zugrunde legt, um dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs, dem Gebot des fairen Verfahrens und insbesondere dem Recht der Beteiligten auf Beweisteilhabe gerecht zu werden. Die Sachaufklärung soll in einer Art und Weise durchgeführt werden, die zu einer vollständigen und zutreffenden Entscheidungsgrundlage führt und es zugleich jedem Verfahrensbeteiligten ermöglicht, auf die Ermittlung des Sachverhalts Einfluss zu nehmen (BVerwG, Urteil vom 28. Juli 2011 – 2 C 28.10 – BVerwGE 140, 199 Rn. 17 f. m.w.N.).

Voraussetzungen der Aufklärungsrüge (Rn. 13)

Die ordnungsgemäße Darlegung einer Aufklärungsrüge setzt die Angabe voraus, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des Truppendienstgerichts ermittlungsbedürftig gewesen wären und inwiefern die angegriffene Entscheidung auf der unterbliebenen Sachaufklärung beruhen kann. Weiter muss dargelegt werden, welche konkreten Beweismittel zur Klärung der für entscheidungserheblich gehaltenen Behauptungen zur Verfügung gestanden hätten, welches Ergebnis die Beweisaufnahme voraussichtlich gehabt hätte und dass entsprechende Beweisanträge im gerichtlichen Verfahren gestellt wurden oder warum sich dem Gericht die weitere Aufklärung von Amts wegen hätte aufdrängen müssen (BVerwG, Beschlüsse vom 19. August 1997 – 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14 f. m.w.N. und vom 13. Februar 2018 – 1 WNB 7.17 – NZWehrr 2018, 126 Rn. 3).

Volltext der Entscheidung auf der Website des Bundesverwaltungsgerichts: 2 WNB 5.18

BVerwG 2 WNB 5.18
TDG Nord 1. Kammer – 16.05.2018 – AZ: TDG N 1 BLc 20/17 und N 1 RL 2/18

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