Bundesverwaltungsgericht entscheidet über die Zulassung einer Rechtsbeschwerde nach der Wehrbeschwerdeordnung (WBO) – Beschluss des 2. Wehrdienstsenats vom 15. Dezember 2020 – BVerwG 2 WNB 9.20

Hervorzuhebende Auszüge aus der Entscheidung:

Statthaftigkeit des Rückgriffs auf das allgemeine Beschwerderecht bei unterbliebener Durchführung eines Selbstreinigungsverfahrens (Rn. 6, 7)

Sie ist allerdings statthaft. Zwar entscheiden die Truppendienstgerichte im Selbstreinigungsverfahren nach § 95 Abs. 2 i.V.m. § 92 Abs. 4 WDO „endgültig“, wenn die Einleitungsbehörde eine einfache Disziplinarmaßnahme verhängt oder ein Dienstvergehen festgestellt hat. Dieser Fall liegt jedoch nicht vor. Vielmehr hat die Einleitungsbehörde ohne Feststellungen zur Sache die Durchführung eines Selbstreinigungsverfahrens als unzulässig abgelehnt. Daher greift die prozessuale Sonderregelung des § 95 Abs. 2 i.V.m. § 92 Abs. 4 WDO nicht ein, sodass der Rückgriff auf das allgemeine Beschwerderecht nicht deswegen zwingend ausgeschlossen ist (vgl. Dau/Schütz, WDO, 7. Aufl. 2017, § 95 Rn. 15).

Allerdings besteht nach erfolgloser Beschwerde oder – wie hier – bei Untätigkeit der nächsthöheren Einleitungsbehörde nur in wenigen Fällen die Möglichkeit, durch einen Antrag nach § 17 Abs. 1 WBO eine gerichtliche Überprüfung einer Entscheidung im Selbstreinigungsverfahren zu erreichen. Zum einen sind die Rechtsmittel in der Wehrdisziplinarordnung grundsätzlich abschließend geregelt und zum anderen können die in der Wehrdisziplinarordnung eingeräumten Rechte im Antragsverfahren nach § 17 Abs. 1 WBO nicht überprüft werden (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 25. April 1978 – 1 WB 154.77 – BVerwGE 63, 56 <57 ff.> und vom 23. April 1992 – 1 WB 149.91 – NZWehrr 1992, 172 ff.). Dies ändert aber nichts daran, dass eine Zurückweisung eines entsprechenden Antrags durch das Truppendienstgericht mit den in der Wehrbeschwerdeordnung vorgesehenen Rechtsmitteln – hier der Nichtzulassungsbeschwerde – angegriffen werden kann.

Anforderungen an den Verfahrensmangel der „Verletzung des rechtlichen Gehörs“ (Rn. 10)

Wird eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) geltend gemacht, muss die Beschwerdebegründung darlegen, worin dieser konkret bestehen soll. Der Anspruch auf rechtliches Gehör verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, soweit sie entscheidungserheblich sind (BVerfG, Beschluss vom 17. November 1992 – 1 BvR 168/89 u.a. – BVerfGE 87, 363 <392 f.>). Dabei muss der wesentliche Kern des Vorbringens eines Beteiligten, der nach der materiell-rechtlichen Auffassung des Gerichts von Bedeutung für den Ausgang des Verfahrens ist, in den Gründen der Entscheidung behandelt werden. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist nur dann dargetan, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist (BVerwG, Urteil vom 20. November 1995 – 4 C 10.95 – Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 267 und Beschluss vom 1. Oktober 2014 – 10 B 52.14 – juris Rn. 4).

Selbstreinigungsverfahren nach § 95 I WDO ist kein beschwerdefähiges Recht im Sinne des § 17 I 1 WBO (Rn. 11)

Denn das Truppendienstgericht hat nicht zur Sache entschieden. Es hat bereits die Zulässigkeit des Antrags in Abrede gestellt und ist dabei insbesondere vom Fehlen eines nach § 17 Abs. 1 Satz 1 WBO rügefähigen Rechts ausgegangen. Daher hätte dargelegt werden müssen, welches dafür relevante tatsächliche oder rechtliche Vorbringen außer Acht gelassen worden sein soll. Daran fehlt es. Der vom Beschwerdeführer angenommene Anspruch auf Durchführung eines Selbstreinigungsverfahrens nach § 95 Abs. 1 WDO gehört gerade nicht zu den in § 17 Abs. 1 Satz 1 WBO genannten Rechten aus dem Soldatengesetz, auf die ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestützt werden kann.

Volltext der Entscheidung auf der Website des Bundesverwaltungsgerichts: 2 WNB 9.20

BVerwG 2 WNB 9.20
TDG Süd 4. Kammer – 21.04.2020 – AZ: TDG S 4 GL 6/20 und S 4 RL 1/20

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