Verwaltungsgerichtshof München entscheidet über Beschwerde gegen Ablehnung des Antrags eines nach § 55 Abs. 5 SG entlassenen Soldaten, die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen die Entlassungsverfügung wiederherzustellen – Beschluss vom 12. August 2020 – 6 CS 20.1540

Leitsatz:

Das Ergreifen einer Schreckschusspistole im Rahmen einer Auseinandersetzung mit einem anderen Verkehrsteilnehmer erfüllt die Voraussetzungen des § 55 Abs. 5 SG für eine Entlassung aus dem Soldatenverhältnis. (Rn. 15)

Hervorzuhebende Auszüge aus der Entscheidung:

Ergreifen einer Schreckschusspistole im Rahmen einer Auseinandersetzung erfüllt den Tatbestand des § 55 Abs. 5 SG (Rn. 15ff.)

Gemessen daran dürfte das Ergreifen einer Schreckschusspistole im Rahmen einer Auseinandersetzung mit einem anderen Verkehrsteilnehmer bei der Heimfahrt von einem Lehrgang am 18. April 2019 die Voraussetzungen des § 55 Abs. 5 SG für eine Entlassung aus dem Soldatenverhältnis erfüllen.

Das Verwaltungsgericht ist mit überzeugenden Gründen zu dem Ergebnis gelangt, dass der Antragsteller durch dieses außerdienstliche Verhalten die Pflicht zu allgemeinem Wohlverhalten nach § 17 Abs. 2 Satz 3 SG schuldhaft verletzt und damit ein Dienstvergehen im Sinn des § 23 Abs. 1 SG begangen hat.

Nach § 17 Abs. 2 Satz 3 SG hat sich der Soldat außer Dienst so zu verhalten, dass er das Ansehen der Bundeswehr oder die Achtung und das Vertrauen, die seine dienstliche Stellung erfordert, nicht ernsthaft beeinträchtigt. Dabei kommt es bei einem Verstoß gegen § 17 Abs. 2 Satz 3 SG nicht darauf an, ob eine Beeinträchtigung des Ansehens der Bundeswehr oder der Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit im konkreten Fall tatsächlich eingetreten ist. Es reicht vielmehr aus, dass das Verhalten geeignet war, eine solche Wirkung auszulösen. Die Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit eines Soldaten können durch ein Verhalten schon dann Schaden nehmen, wenn dieses Zweifel an seiner Redlichkeit und Zuverlässigkeit weckt oder seine Eignung für die jeweilige Verwendung in Frage stellt. Dies ist bei strafrechtlich relevantem Verhalten eines Soldaten auch außerhalb des Dienstes in Betracht zu ziehen (BVerwG, U.v. 20.3.2014 – 2 WD 5.13 – juris Rn. 48 ff.).

Diese Pflicht zu allgemeinem Wohlverhalten hat der Antragsteller durch die Verwendung einer Schreckschusspistole in einer Auseinandersetzung im Straßenverkehr in nicht unerheblicher Weise verletzt, auch wenn er von dem anderen Verkehrsteilnehmer mehr oder weniger provoziert worden sein sollte. Als der andere Verkehrsteilnehmer seinen Kopf durch das geöffnete Fahrerfenster steckte, hat der Antragsteller eine in einem Fach unter dem Lenkrad befindliche, nicht als solche erkennbare Schreckschusspistole hervorgeholt und für den anderen Verkehrsteilnehmer sichtbar, wenn auch nicht auf ihn zielend, in der Hand gehalten. Das erfüllt den Tatbestand einer Nötigung nach § 240 StGB, der eine Strafandrohung von bis zu drei Jahren vorsieht. Hinzu kommt, dass der Antragsteller bei dem Vorfall seine Uniform getragen hat, was einen (sonstigen) Bezug zum Dienst herstellt, und dass zwei ebenfalls uniformierte Kameraden in seinem Auto saßen, er also vor Kameraden die Dienstpflichtverletzung begangen hat.

Dieses Verhalten gefährdet die militärische Ordnung in der Bundeswehr aus generalpräventiven Überlegungen wegen der Gefahr der Nachahmung ernstlich und kann nicht geduldet werden. Ohne die fristlose Entlassung würde ein Anlass zu ähnlichem Verhalten für andere Soldaten gegeben werden. Es beschädigt auch ernstlich das Ansehen der Bundeswehr, nämlich den guten Ruf der Streitkräfte bei Außenstehenden, vor allem in der Öffentlichkeit.

Verfahrensdaten


Verfahrensart: Beschwerde vor dem VGH im vorläufigen Rechtsschutz (Anordnung der aufschiebenden Wirkung § 80 Abs. 5 VwGO)

Entscheidendes Gericht: Verwaltungsgerichtshof München

Aktenzeichen: 6 CS 20.1540

Datum: Beschluss vom 12.08.2020

Volltext der Entscheidung auf BAYERN.RECHT: 6 CS 10.1540

VGH München, Beschluss v. 12.08.2020 – 6 CS 20.1540
VG Regensburg, Beschluss vom 10.06.2020 – RO 1 S 20.484

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